Seit
vielen Jahren bewegt sich der Streit um Autorität in die falsche Richtung.
Worum
geht es?
Nachdem
die 60-er Jahre (Heimkritik) überwunden waren und eine allgemeine
Verunsicherung sich breit machte bei Erziehungsberechtigten und Pädagogen
gleichermaßen, in Einrichtungen und auch bei den Behörden, begann ein
unaufhaltsamer Prozess der Miesmacherei von Autorität.
Wie
mit anderen Aspekten aus allen Lebensbereichen kam es auch mit der Autorität so
weit, dass jenes Wort, das einst ein Schlüssel- und Hauptwort in der Erziehung
und Bildung war, nur noch negativ besetzt wurde.
Folglich
lernten wir alle genau darauf zu achten, dass unsere Gegenüber, Nachbarn,
Arbeitskollegen, Freunde und sogar nächste Familieangehörige richtig damit
umgehen.
Zum
Wohle und Schutze unserer Kinder und Jugendlichen in allen Lebensbereichen und
Wohnformen bewirken, was nützt und nicht schadet, ist stets der höchste
ethisch- moralische Anspruch der Sozial- Gesellschaft und muss unbedingt
gewahrt bleiben.
Falsch
verstandene und ebenso schlecht praktizierte Autorität dagegen ist die Ursache
für Erscheinungen, die so negativ sind, dass sie auch das Strafrecht verfolgt.
Doch
Autorität ist keine Waffe, sondern ein Indikator für die Anwendung von
Erziehungsmitteln und hat einen gültigen Platz neben Anstand, Achtung und
Sympathie.
Vom
Ursprung her ist Autorität, wie alle Worte unserer deutschen Sprache, die
Beziehungsformen definieren und erklären, gar nicht nur einseitig negativ
besetzt.
In
moderner Zeit und vor allem ihrer Aktualität macht sich jedoch leider ein Trend
breit, der dazu findet, möglichst viele Begriffe unserer Sprache zu ersetzen,
auszumerzen, zu verunglimpfen oder nur einseitig zu bewerten.
So
kommt es, dass jene, die das Wort Autorität im Munde führen, schon zeitgleich
mit der Wort- Erwähnung kritisch hinterfragt werden, was ihre Absicht sei.
Solche
Einstellung unterscheidet dann nicht, ob ein fachkompetenter Pädagoge oder
anderer Insider den Begriff Autorität aufgreifen als etwas neuerlich Betrachtenswertes,
vielleicht auch ein beispiellos gütiger Familienvorstand oder tat&wahr eine
Person, der Missbrauch im Umgang mit Autorität vorzuwerfen ist.
Gehört
zu haben von ganz vielen negativen Fallbeispielen reicht heute leider schon aus
zu bewirken, dass Autorität nach wie vor unter öffentlicher Kritik steht wie
z.B. auch „deutsche Tradition“. Ein heißes Thema.
Aber
ist es nicht so, dass Berührungsängste vor einer Thematik ganz schleichend
gerade dazu führen, genau jene Kräfte auf den Plan zu rufen, deren Handeln so
kritikwürdig ist, dass wir ablehnen, was sie wollen?
Bewirken
wir mit übergroßer Vorsicht, thematisch Stellung zu beziehen und sofort
vermeiden zu wollen, nicht oft schon genau das Gegenteil?
In
nachfolgenden Beispielen bleibe ich ganz nah am Begriff „Autorität“, um zu
diesem Text nicht eine Diskussion zu entfachen, die sich politisch ausweitet.
Es
geht mir einzig und allein darum aufzuzeigen, wie falsch das Einlassen auf
allgemein im Trend liegenden einseitigen Umgang mit einer Sache und/ oder
gesellschaftlichen Anliegen sein kann.
Schon
in den Kinder- und Jugendjahren werden Heranwachsende fast systematisch darauf
vorbereitet, Konfliktbewältigung zu vermeiden.
Ein
schlimmes Übel!
Beispiele
aus meiner Kindheit, meiner Sicht und von meiner Person:
Ich
habe als Kind meiner Mutter immer dann widersprochen, wenn sie permanent auf
einen Punkt ansprach, der mich innerlich „verwundete“, mir eventuell peinlich
war, die Schamröte ins Gesicht rief oder mir einen Misserfolg offerierte.
Fortan wich ich ihren Ansprachen aus und versuchte zu vermeiden, dass sie viel
mit bekam von allem, was ich machte bzw. anstellte.
In
meinen jungen Jahren hackte auf mir auch bald die Schule herum, weil ich in die
Kirche ging. Als ich endlich den Abschluss 10. Klasse POS (ehemalige DDR) in
der Tasche hatte, wollte ich nie wieder eine Schulbank drücken!
In der
Lehre (Krankenpflege) predigte die Kirche von Wahrheitsliebe.
Ich
sah aber genügend andere Beispiele und hielt mich folglich auch nicht mehr an
alle Regeln. Eine strafende Hand gab es nicht, aber das strafende WORT.
Oh,
Worte können so gemein und hinterlistig sein, unchristlich und unsozial!
Ich
lernte selbst das Anhören solcher Worte zu vermeiden und mein innerer
Widerstand wuchs zur Aggressivität.
Wie Autorität
lässt sich auch Aggressivität sehr unterschiedlich ausleben, positiv oder
negativ. Doch „positive Aggressivität“ - kann es die geben?
Nun,
es kommt darauf an, was unter positiv verstanden wird bzw. werden muss.
Jeder
weiß, dass z.B. in der Medizin ein „positiver Befund“ durchaus eine
erschreckende Bedeutung haben kann, hingegen ein „negativer Befund“ allgemeines
Aufatmen auslöst.
Ein
gutes Beispiel dafür, dass „negativ“ nicht immer „schlecht“ bedeutet und
„positiv“ nicht zwingend Gutes beschreibt.
Das
Wort „Aggressivität“ ist in unserem Verständnis nur negativ besetzt im Sinne
von „schlecht“ und vergessen wird zu hinterfragen, ob eventuell auch in - ich
schränke bewusst ein - konkreten Fällen zusätzlich eine positive
Schlussfolgerung möglich wäre hinsichtlich der Folgen einer Aggressivität.
Wie
beim Begriff „Autorität“ gilt es zu unterscheiden, was ausgelöst/ bewirkt wird
und erst dann läßt sich eine Wertung vornehmen.
Exakter
sprachlicher Umgang mit definierten Begriffen ist ungeheuer wichtig.
Dabei
meint „exakt“ auch: nicht einseitig und ein „definierter Begriff“ ist eine
Wortbildung, die
Mittels
interpretierter Inhalte richtig dargestellt und begriffen werden kann.
Keiner vermochte sich da je besser
auszudrücken als Konfuzius, der schrieb:
„Wenn
die Sprache nicht stimmt...“
Aggressivität
also, die zunächst negativ ist in ihrer Erscheinungsform, kann durchaus in
wahrsten Sinne des Wortes auch positive Folgen haben, z.B. Läuterung und
Einsicht.
Sie
wird in ihrer Sofortwirkung dadurch nicht etwa positiv im Sinne von gut, doch
unter Umständen durch ihre Folgen ein Meilenstein für Veränderung,
Verbesserung, manchmal Umkehr.
Autorität
genau so.
Sie
ist positiv (gut), wenn sie Distanz lehrt, die Nähe bewirkt.
In
diesem kurzen Satz steht ganz viel:
Distanz
ist in der Beziehungsgestaltung jeglicher Art ein angemessenes
Abstandsverhalten unter Beachtung von Regeln, das Grundsätze, Prinzipien und
Maßstäbe beider Seiten achtet.
Lehrende
sind alle Personen und Körperschaften in der Erziehung und Bildung (auch andere
Bereiche, jedoch hier nicht relevant), an deren Ethik, Moral, Arbeit und
Präsenz sich Heranbildende und Heranwachsende orientieren und bei ihnen nach
Vorbildern suchen.
Nähe
ist nach außen und innen eine Abstandsverminderung, die sich unter Beachtung
von Regeln vollzieht, diese jedoch nicht bricht und damit jeder Seite
angemessenen Freiraum bewahrt, sich ausleben zu können.
Das
sind meine Definitionen. Ich habe sie nirgendwo abgeschrieben und auch nicht
dazu nachgeschlagen.
Ich
mag es nicht, dass heutzutage so reichlich und häufig inkompetent definiert
wird unter Zuhilfenahme bzw. Heranziehung und Einflechtung schon existenter
Begriffe oder anders ausgedrückt:
Definieren
heißt verständlich erklären und nicht einfach durch andere zum Teil
ebenso komplizierte Begriffe ersetzen, die wiederum erklärungsbedürftig wären.
Unsere
Sprache ist reich genug an Worten, uns umfassend ausdrücken zu lassen, was wir
sagen wollen!
DISTANZ
lehren, die NÄHE bewirkt
Was
ist aber nun mit jenen, denen das gelehrt wird?
Sie
lernen!
All
das, was wir unseren Kindern und Jugendlichen vorleben, anbieten, zeigen und
lehren, lernen jene, die unsere Zukunft sind. Sie lernen von uns das Gute und
das Schlechte.
Ja,
leider auch das Negative!
Wollen
wir Autorität leben (als Pädagogen) ohne autoritär zu sein, müssen wir stets
ehrlichen Herzens von dem weitergeben, was unser Anliegen ist.
Stets
können wir davon nur so viel „veräußern“, wie wir selbst verstehen und
umzusetzen imstande sind.
Das
gilt für alle Menschen, für alt und jung, alle Lebensbereiche, die Gesellschaft
und den Staat.
Was
gelehrt werden kann oder: vermittelt, kann auch gelernt werden und: verstanden.
Autorität
ist Distanz, die Nähe bewirkt.
Darüber
nachzudenken lohnt sich nicht nur für Pädagogen.
SKB
09/2008
|